Donnerstag, 29. April 2010

28.04.2010 - Arca O Piño - Santiago de Compostela ( 22 km )

Unser zweiter Camino ist zu Ende. Mit den Ersten verliessen wir gegen 7.00 Uhr die Herberge und wanderten durch idyllische Eukalyptuswaelder und durch kleine Weiler mit Palmen und Rosenstraeuchern auf Santiago zu. Nach etwa 10 Kilometern passierten wir den Flughafen Lavacolla und nach 18 Kilometern standen wir auf dem Monte do Gozo ( Berg der Freude ) am dortigen Monument, welches an den Papstbesuch von Johannes Paul II. in Santiago im Jahr 1999 erinnert. Alle Reisefuehrer sagen, dass man von hier aus zum ersten Mal die Tuerme der Kathedrale von Santiago erkennen kann. Vor zwei Jahren mussten wir wegen widerwaertigstem Wetter auf dieses Ereignis verzichten; gestern jedoch war der linke Turm klar und deutlich zu erkennen. Immer mehr Pilger fanden sich ein und es brausten wahre Freudenstuerme aus. Eine wirklich traumhafte Atmosphaere. Meli hatte ihren Duracell-Tag, was dazu fuehrte, dass sie auf den letzten Kilometern ein unglaubliches Tempo an den Tag legte und foermlich auf das Ortseingangsschild zuschoss. Irgendwie kam es uns beiden unabhaengig voneinander in den Sinn, beim Passieren des Schildes das "Schoetzeleed" von den Foeoess anzustimmen. Die zahlreichen Spanier um uns herum muessen den Eindruck gehabt haben, dass wir sie "nicht mehr alle auffem Christbaum" haben, und vielleicht war da auch was dran...zu gross war die Freude des Ankommens. Wir quartierten uns fuer die drei Naechte bis zu unserem Abflug in der urgemuetlichen Herberge "Acuario" ein und ich haute mich erst einmal eine Stunde aufs Ohr. Anschliessend stand das symbolische Umarmen des Heiligen Jakobus in der Kathedrale auf dem Programm. Entgegen aller Unkenrufe, welche von einer stundenlangen Wartezeit vor dem Eingang sprachen, war nicht wirklich viel los. Wir besuchten anschliessend das Apostelgrab und nahmen uns einige Minuten Zeit fuer einen stillen Abschluss unserer Pilgerreise in der Kirche. Obwohl wir, wie beim letzten Mal auch, das Gefuehl haben, weniger essen zu muessen, knurrte uns nun der Magen und wir besuchten eine oertliche Pizzeria. Da die Herberge etwa 2 km ausserhalb des Stadtzentrums liegt, wollten wir morgens in der Herberge fruehstuecken, und so liessen wir noch etwas Geld in einem Supermarkt...und irgendwie war es das auch schon. Ich zollte unserem morgendlichen Tempo Tribut und fiel um 20.00 Uhr ins Bett. Meli folgte etwas spaeter.

Spruch des Tages:
Viele sind hartnäckig in Bezug auf den einmal eingeschlagenen Weg, wenige in Bezug auf das Ziel. ( Friedrich Nietzsche )


Der Spruch des Tages:

Dienstag, 27. April 2010

27.04.2010 - Arzua - Arca O Piño ( 22 km )

Der heutige Tag begann unerwartet und unerwuenscht frueh, da in der Herberge einmal mehr um 5.00 Uhr Aufstehen angesagt war. Schade, wir hatten doch so gut geschlafen ;-) Als Gegenleistung des Universums fuer das fruehe Aufstehen wurden wir jedoch mit der schoensten Morgendaemmerung des ganzen Caminos belohnt. Mit Ruecksicht auf meinen sich immer wieder mal meldenden Fuss ging es langsam voran, wir schaetzten, fuer die anstehenden 22 km im stetigen Auf und ab Galiciens etwa 7 Stunden zu benoetigen. Das Tempo wurde zusaetzlich durch die zusehends steigenden Temperaturen beeintraechtigt. Um 11.30 Uhr passierten wir in einem kleinen Weiler ein Thermometer, welches bereits satte 28 Grad anzeigte. Da war Eincremen angesagt, um Sonnenbrand zu vermeiden. Meli und ich nutzten den heutigen Tag, um unsere Erfahrungen der letzten zwei Wochen einmal Revue passieren zu lassen, und gottlob duerfen wir als Fazit festhalten, dass es gar nicht so Wenige waren und auch nicht wenige Plaene, die wir zu Hause umsetzen moechten. Es waren bereichernde 14 Tage, wenn wir morgen in Santiago eintreffen und den heiligen Jakobus umarmen werden und wir moechten sie, trotz aller Erschwernisse und Rueckschlaege, nicht missen. Der Camino war koerperlich und seelisch sicher eine groessere Herausforderung als beim letzten Mal, hat uns aber wieder Antworten auf einige uns wichtige Fragen geliefert und uns im Umgang mit Widerstaenden deutlich gestaerkt. Dazu haben wir wieder viele Menschen kennenlernen duerfen, mit denen wir ein Stueck des Weges gemeinsam gegangen sind und von denen wir einige sicher nicht zum letzten Mal gesehen haben. @ Ralf, ich weiss, dass Du das hier liest...Kopf hoch...du schaffst das...zur Not auf den gelben Flip-Flops ;-))

Morgen frueh geht es also auf die letzte Etappe, vorbei am Flughafen Lavacolla ( was soviel heisst wie "Genitalien waschen", da sich die mittelalterlichen Pilger hier wohl immer ausgiebig gereinigt haben, bevor sie in die Stadt gewandert sind ) und ueber den Monte do Gozo zur Kathedrale, wo wir den morgigen Nachmittag verbringen werden. Am Donnerstag steht dann eine Fahrt zum Kap Finisterre auf dem Programm, wo wir wieder ein Kleidungsstueck als Symbol fuer zurueckgelassene Sorgen und Aengste verbrennen werden. Ganz sicher wird es bei mir dieses Mal eine Socke werden ;-(

Da wir heute wieder ausgiebig Gelegenheit zum Nachdenken hatten,gibts auch mehrere Sprueche des Tages:

Leben ist das, was einem passiert, wenn man gerade andere Pläne macht. ( unbekannt )

Achte auf Deine Gedanken, denn sie werden Worte.
Achte auf Deine Worte, denn sie werden Handlungen.
Achte auf Deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten.
Achte auf Deine Gewohnheiten, denn sie werden Dein Charakter.
Achte auf Deinen Charakter, denn er wird Dein Schicksal. ( unbekannt )

Am Ziele deiner Wünsche wirst du jedenfalls eines vermissen: dein Wandern zum Ziel.
( Marie von Ebner-Eschenbach )

Viele Gruesse in die Heimat!
Horst

Montag, 26. April 2010

26.04.2010 - Ruhig ist´s gewesen...

Hallo zusammen,

ruhig ists hergegangen in den letzten Tagen, was wiederum an fehlenden Internet-Terminals liegt...die Versorgung mit Internetanschluessen scheint hier entlang des Weges eher zurueckgangen zu sein denn zugenommen zu haben. Nun aber habe ich noch einmal die Gelegenheit, einen kurzen Bericht ueber unsere letzten Tage zu verfassen.
Am 22.04. sind wir, da meine Fussschmerzen schlimmer geworden sind und ich ohne Bandage quasi nicht mehr laufen konnte, wieder mit dem Bus gefahren. Wir haben den Plan verfolgt, welchen wir bereits vor unserer Reise gefasst hatten, die Meseta zwischen Burgos und Leon auszulassen und haben mittags den Bus direkt nach Leon genommen. In Leon quartierten wir uns in der staedtischen Herberge ein. Ein absoluter Hochgenuss...nach unserer Rueckkehr in der kommenden Woche werde ich ein Bild hierzu einstellen ;-) Der aeussere Eindruck truegt aber. Trotz etwa 200 Betten und Jugendgruppen um die 50 Personen herrscht eine familiaere Atmosphaere und wir hatten Gelegenheit zum Gedankenaustausch mit dem ein oder anderen auf der Busfahrt getroffenen Mitpilger. Den Nachmittag nutzten wir zur Besichtigung der Kathedrale, welche waehrend sagenhafter 700 Jahre erbaut wurde und in 2010 aufgrund des Heiligen Jahres taeglich geoeffnet ist. Aufgrund der in Spanien ueblichen Essenszeiten ( ab etwa 20.00 Uhr abends sind die Kuechen in den Restaurants geoeffnet ), wichen wir heute mal "vom rechten Pfad ab" und versorgten uns im BURGER KING mit einem leckeren Menu. Bevor wieder Stimmen laut werden, ich wuerde den Weg nur wegen der kulinarischen Seite gehen...hey Leute, ich habe bereits 8 kg abgenommen ;-) Ob die Busfahrt oder das Essen uns so muede gemacht haben...keine Ahnung...aber um 20.30 Uhr lagen wir beide bereits schlummernd im Bett.
Am 23. morgens stellte ich kaum noch Schmerzen im Fuss fest und so beschlossen wir, eine kurze Etappe von rund 20 km nach Villadangos del Paramo zu wandern. Eine einigermassen sichere Angelegenheit, verlaeuft der Weg doch ausschliesslich am Rande der Nationalstrasse 120 nach Astorga und so haetten wir Gelegenheit, falls die Gesundheit uns einen Strich durch die Rechnung machen wuerde, in einigen kleinen Doerfern einen Bus zu entern. War aber nicht noetig. Bei prima Wetter, wie wir es ueberhaupt fast waehrend unserer gesamten Reise geniessen konnten, schafften wir die vollstaendigen 20 km. Mehr haetten es aber auch nicht sein duerfen. Die Herberge in Villadangos kommt sauber und gemuetlich daher mit Feldbetten und einer schoenen Kueche. Am Abend sorgte eine Englaenderin dann fuer Erheiterung, die jeden Schnarcher im 50 Personen-Schlafsaal zur Ordnung rief und aufforderte, den Raum zu wechseln...herrlich...ich weiss nicht, was die Leute manchmal von Herbergen erwarten...sie sind zwar in den allermeisten Faellen hygienisch in Ordnung und der Standard ist, vor allem in den privaten Herbergen, deutlich hoeher als Hapes Buch es glauben macht, aber von einem Hotel sind sie dort weit entfernt. Auf jeden Fall schaffte es die nette Dame nicht, auch nur einen Schnarcher zum Umziehen zu bewegen. Wer haette es gedacht ;-) Sehr nett war uebrigens ein Erlebnis in einer oertlichen Bar...aufgrund einer Fiesta in Kastilien und Leon waren alle Geschaefte heute geschlossen und wir mussten uns in besagter Bar mit einigen Getraenken versorgen. Wir wurden mit grossem Hallo von den Bewohnern des Dorfes, welche scheinbar vollzaehlig versammelt waren, begruesst und man wollte uns in die Geheimnisse eines Kartenspiels einweihen, welches hier foermlich zelebriert wird. Ich kennen nach anderthalbstuendigem Beobachten nun auch die Regeln. Es gewinnt, wer am Lautesten bruellt ;-))
Am 24. setzten wir unseren Weg in aller Herrgottsfruehe in Richtung Astorga fort. Die Etappe waere insgesamt 33 km lang, also stand fuer uns fest, dass wir einen Teil mit dem Bus absolvieren wuedern. Wir schafften insgesamt 15 km nach Hospital de Orbigo, wo es vor zwei Jahren in einer Bar einen herrlichen Sandkuchen gab. Auch vorgestern wieder...hmmm...alle Piler werden in dieser Bar aufgefordert, sich in einem Gaestebuch zu verewigen und als wir unseren Eintrag abgeschlossen hatten, erinnerte sich die Kellnerin allen Ernstes noch daran, dass wir vor zwei Jahren schon mal da waren und kramt das damalige Buch und unseren Eintrag raus...wirklich suess. Mit dem Bus legten wir dann die restlichen 17 km nach Astorga zurueck und suchten eine Schlafgelegenheit in der Herberge der "Freunde des Caminos Astorga". Hospitalero war Alfredo, ein wirklich netter Mensch, welcher sich extremst freute, als er hoerte, dass wir aus Aachen kommen...er ist den Jakobsweg von Hoexter nach Aachen im Jahr 2002 gegangen und schwaermte in den hoechsten Toenen von unserer Heimatstadt. Er gab uns eine Karte mit allen Jakobswegen in Westdeutschlnd mit. Ein beeindruckendes Netz und wir begannen bereits, Plaene fuer unseren naechsten Camino zu schmieden. Nijmegen bis Luettich waere sicher toll oder auch Koeln bis Trier, die Strecke, die ein ehemaliger Kollege vor einiger Zeit gegangen ist und darueber sein Buch "Mein dritter Weg" veoeffentlicht hat. Wir besichtigten in Astorga das roemische Museum und die Kathedrale. Den GAUDI-Palast liessen wir aussen vor...wir hatten ihn vor zwei Jahren schon gesehen und er ist nur von aussen beeindruckend. Am Abend wurden wir von Alfredo gebeten, uns im Online-Gaestebuch der Herberge zu verewigen. Das haben wir natuerlich gerne gemacht. Das Ergebnis ist online und Ihr koennt es unter www.pilgrimportrait.com sehen.
Gestern, am 25. legten wir dann wieder eine Busetappe ein, um unserem Ziel deutlich naeher zu kommen. Wir fuhren mit dem Bus nach Lugo, die Hauptstadt der Region, ohne zu wissen, wie wir weiterkommen wuerden, da es kein wirklich landesweites Busnetz gibt, sondern jeder Informationsschalter nur Infos ueber einen Umkreis von 20 km geben kann. In Lugo angekommen fanden wir aber sofort eine anschliessende Busverbindung, welche uns nach Melide und somit zurueck auf den Camino brachte. Wir waren dann noch 50 km von Santiago entfernt und diese 50 km wollten wir wieder per Pedes absolvieren. Melide hat uebrigens den Ruf, den besten Pulpo ( Oktopus ) Spaniens zu servieren und Meli wollte sich von mir nicht eines Besseren belehren lassen. So verschlug es uns in eine Pulperia, in welcher die Krake vor den Augen des Gastes in riesigen Kesseln gekocht, anschliessend zerhackt und serviert wurde. Angesichts der Tentakel und der Saugnaepfe auf dem Teller entschied ich mich lieber fuer einen Salatteller. Ich probierte trotzdem mal an Melis Pulpo, welcher mit Olivenoel und Paprika serviert wurde...nicht schlecht...muesste nur anders aussehen, dann waers sogar klasse. Aber so...nee, danke! Nach dem Essen sassen wir noch fuer einige Zeit auf dem Marktplatz von Melide und schauten den Nachwuchstalenten der Primera Division beim Fussballspielen zu. Das war lustig, da neben uns einige aeltere Damen auf einer Bank sassen und immer wieder unfreiwillig in das Spiel mit einbezogen wurden ;-) Die oertliche Herberge wurde uebrigens in unserem Jakobsweg-Fuehrer als "stark renovierungsbeduerftig" beschrieben. Diese Renovierung wurde aktuell auch durchgefuehrt, weswegen die Herberge als Containerdorf in einer Messehalle aufgebaut war. Fuer eine Nacht durchaus brauchbar, wenn sich nicht einige Spanier das wahnwitzige Ziel gesetzt haetten, heute die letzten 50 km nach Santiago zu gehen und daher um 4.30 aufgebrochen waeren. Um 7.00 Uhr gings dann auch fuer uns auf die drittletzte Etappe nach Arzua. Galizien bietet mit Eukalyptuswaeldern, Palmen und den bekannten Kornspeichern eine idyllische Atmosphaere. Die heutigen 15 Kilometer liefen trotz des bekannten Zipperleins im Fuss wie geschmiert, und so kamen wir schon um 13.00 Uhr mit einem leichten Sonnenbrand in Arzua an und bezogen unsere Betten in der privaten Herberge "Don Quijote". Die Duschen hier sind ungefaehr so gross wie unsere Kueche, dazu gibts Waschmaschine ( dringend noetig ), Trockner und Internet. Also alles, was wir brauchen. Bevor ich diesen Post begonnen habe, habe ich mich auf der Website der RYANAIR vergewissert, dass unser Flug auch am 1. Mai planmaessig startet. Alles laeuft also momentan nach Plan. Morgen gehts nach Arca O Piño und uebernmorgen am Flughafen vorbei auf die letzten 20 km nach Santiago. Wenn es das Internet-Cafe in Arca noch gibt, werde ich morgen wieder berichten. Fuer heute habe ich noch einen Spruch des Tages:
Die größte Gefahr im Leben ist, daß man zu vorsichtig wird. (Alfred Adler)

Mittwoch, 21. April 2010

21.04.2010 - Busfahrt nach Burgos

Am heutigen Morgen fiel es uns schwer, unsere Rucksaecke zu packen und uns auf den Weg zur Estacion de Autobuses zu machen. Immer dieses Gefuehl, nicht unsere Aufgabe erfuellt zu haben, im Hinterkopf...an der Bushaltestelle trafen wir dann bereits 5 Mitpilger, welche das gleiche Schicksal wie mich ereilt hat...die meisten hatte es an der Achillessehne erwischt. Nach 45-minuetiger Busfahrt ( 40 km zum Wahnsinnspreis von 2,85 EUR ) trafen wir in Burgos ein. Wir verzehrten unser mitgebrachtes Fruehstueck im Stadtpark und suchten nach der staedtischen Herberge. Diese wurde in 2009 renoviert und kommt nun sehr sauber mit grossem Aufenthaltsraum und vielen heissen Duschen daher. Wir trafen Frank und Jacqueline wieder und besichtigten nachmittags die Kathedrale, welche uns mit enormem Prunk und zahllosen Kunstschaetzen beeindruckte. Mittlerweile sitze ich nach einem leckeren Pilgermenue wieder in der Herberge und meine Laune wird zusehends besser. Die Perspektive fuer die kommenden Tage ist auf jeden Fall wieder da. Meli sitzt uebrigens neben mir zusammen mit Martin, einem gut 70-jaehrigen Amerikaner, der sein Trinksystem im Rucksack mit, sage und schreibe, Rotwein gefuellt hat und auch zwischendurch hier und da einen kleinen Schluck aus der ( Whisky- ) Pulle nimmt. Kaum zu glauben...aber der Gute macht mehr als 40 km taeglich! Entweder hat er keine Schmerzen oder er hat welche und sie sind ihm aufgrund der bewusstseinserweiternden Mittel sch...egal ;-))

Spruch des Tages: Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man etwas Schoenes bauen!

Gruesse in die Heimat!
Horst

20.04.2010 - Pause in Belorado

Da die Schmerzen auch am Morgen nicht besser, sondern eher schlimmer wurden, mussten wir notgedrungen eine Pause einlegen und uns von unseren Mitpilgern Frank und Jacqueline verabschieden. Das Pilgergefuehl laesst immer mehr nach, wohl auch vor dem Hintergrund, dass wir die Antworten auf die uns wichtigen Fragen schon in den ersten Tagen des Weges erhalten haben. Immer oefter spielen wir mit dem Gedanken, unsere diesjaehrige Pilgerreise vorzeitig abzubrechen und uns zu Hause an die Beseitigung der Dinge zu machen, die wir in den letzten Tagen als belastend identifiziert haben. Ein Blick ins Internet verraet uns aber, dass es momentan gar nicht so easy ist, eine Heimreise anzutreten. Ryanair hat bis 22.04. alle Fluege von Santiago gecancelled und auch auf den spanischen Bahnhoefen herrscht bei den Fernlinien das pure Chaos. unser Mitpilger Christian aus Oesterreich, den wir immer wieder mal kurz getroffen haben, hatte eine schlechte Nachricht von Zuhause bekommen und wollte sofort zurureckreisen. Er kam auch mit dem Bus bis Madrid, dort jedoch ging weder ein Flug noch konnte er einen Fernzug buchen, da das spanische Buchungssystem aufgrund des Andranges festsitzender Reisender zusammengebrochen war. Er faehrt nun also nach Leon und wird den Weg bis zum 26.04. fortsetzen. An diesem Tag wird er dann einen Flug nach Wien bekommen.

Ich humpelte also am morgen, von Meli gestuetzt, zum Centro de Salud in Belorado und ein Arzt schaute sich nach nur zwei Stunden Wartezeit meinen Fuss an. Anschauen stimmte nicht ganz, da er sich nur schildern liess, was passiert war und mir zwei age Pause und Schmerzmittel verordnete. Immerhin bemuehte er sich mehr als der Doc in Pamplona und liess mein rechtes Bein bandagieren. Das tat so unwahrscheinlich gut, dass ich sogar anschliessend wieder einigermassen gehen konnte. Dennoch war natuerlich an eine Wanderung von 25 km fuer diesen und den naechsten Tag in keinster Weise zu denken. So gingen wir zurueck zur Herberge und gruebelten ueber den Fortgang unserer Reise. Wir waren uns einig, dass ich, wenn ich ueberhaupt wieder wuerde laufen koennen, keine 15 Etappen mehr hinbekomme und so buchten wir nach langem Ueberlegen unseren Rueckflug vom 8. Mai auf den 1. Mai um. Anschliessend beschlossen wir, am Mittwoch mit dem Bus nach Burgos zu fahren, Donnerstag nach Leon und Freitag nach Sarria, um von dort aus die letzten fuenf Etappen bis Santiago anzugehen. Dabei geht es uns weniger um die Compostela sondern um das Gefuehl, angekommen zu sein und nicht einen unerledigten Rest vor uns her zu schieben. Wir werden also, wenn nun mal alles gut gehen SOLLTE, am 28.04. in Sanstiago ankommen, am 29.04. nach Finisterre fahren und dort unsere Steine ablegen ( da uns das Cruz de Ferro diesmal vorenthalten bleibt ), am 30.4. den Pilgergottesdienst in Sanstiago besuchen und am 1.5. zurueckfliegen. Das alles hat wenig mit dem zu tun, was wir eigentlich hier erleben wollten, stellt aber nach allem, was gesundheitlich passiert ist, den letzten "Ausweg" dar.

Der Spruch des Tages kommt von meiner Schwester Marion und kann unter den Kommentaren von vorgestern nachgelesen werden: "Nimm alles, wie es kommt. Es wird sich schon jemand was dabei gedacht haben."

19.04.2010 - Santo Domingo de la Calzada - Belorado ( 22 km )

Ein schoener Tag begann mit einem spaeten Aufstehen und einer ausgiebigen Morgendusche...herrlich! Das Wetter war durchwachsen, es sah ber nicht nach Regen aus. Ca. 15 Grad verhiessen einen schoenen Wandertag. Raus gings aus Santo Domingo, vorbei am Parador und an der Kathedrale und auf eine Schotterstrecke neben der N 120 Richtung dem kleinen Bergdoerfchen Grañon. Die Spanier versuchen momentan, die Folgen der Wirtschaftskrise mt oeffentlichen Investitionen so gering wie moeglich zu halten, was fuer den Pilger bedeutet: auch entlang des Jakobsweges wird gebaut und gebaut und gebaut...so auch auf der Strecke nach Grañon, auf der roter Matsch unsere Wanderstiefel um gefuehlte 1,5 kg je Schuh beschwerte. Da waren die weiten Wiesen vor Granon eine gute Gelegenheit, sich wieder zu "erleichtern". In Granon besichtigten wir nach einem kleinen Fruehstueck noch die oertliche Kirche mit ihrem aussergewoenlichen Taufbecken ( eine Betonschale mit einem Durchmesser von etwa 2m ) und setzten dann unseren Weg fort. Mittlerweile kam die Sonne heraus und so wurde es auf der schattenlosen Ebene nach Redecilla del Camino ganz schoen heiss. Wir passierten den Grenzstein der Rioja und wanderten in die nunmehr dritte Provinz Kastilien und Leon. In Redecilla versorgten wir uns mit einem Eis, wobei ich den Fehler machte, meinen Rucksack und den Wanderstock, der mich schon vor zwei Jahren waehrend der 800 km nach Santiago treu begleitet hatte, vor der Bar stehen zu lassen. Beim Verlassen der Bar war mein Rucksack noch da, der Stock hatte Beine bekommen. So setzte ich den Weg erst einmal ohne Gehhilfe fort, was bei gut 16 kg Rucksackgeswicht auf dem Ruecken ziemlich in die Beine ging. Frank lieh mir spaeter dankenswerterweise seine Teleskopstoecke und ab da gings wieder wie geschmiert. Wir ueberquerten eine kleine Bergkuppe und sahen uns vor einem brennenden Misthaufen, der unvorstellbare Qualmwolken erzeugte, welche vom Ostwind natuerlich genau ueber den Weg geblasen wurden. Jacqueline und ich nahmen einen Umweg von sicher 500 m in Kauf und umgingen den Misthaufen, fuer Meli und Frank hiess es "Augen zu und durch". Der Haufen war groesser, als man von vorne erkennen konnte. Entsprechend rochen die beiden spaeter auch ;-)) Hinter einem kleinen Dorf erreichte der Camino wieder die N 120 und verlief auf den letzten 8 km an ihrer Seite nach Belorado. Etwa 5 km vor Belorado machten wir unsere ersten Erfahrungen mit deutschen Buspilgern, welche in einem kleinen Oertchen zusammen mit ihrer "Reisefuehrerin" ausgesetzt wurden und von dieser noch wortreiche Erklaerungen fuer den langen anstehenden Weg zum Hotel mit bequemen Doppelzimmern mit auf den Weg bekamen. Frank und ich versuchten nach einer kurzen Pause noch, die Buspilger einzufangen und in ein Gespraech zu verwickeln; aufgrund der Tatsache jedoch, dass wir schon 6 Wanderstunden mehr auf dem Buckel hatten, schafften wir das nicht mehr. Und so wanderten wir gemuetlich nach Belorado vorbei an der Mega-Herberge "A Santiago", welche eher als Sportbar daherkommt und den Buspilgern mit Doppelzimmern eine Bleibe bot. Zumindest koennen sie zu Hause mal behaupten, sie haetten in einer "Herberge" uebernachtet. Wir gingen zur Herberge "Cuatro Cantones", welche wir als sehr gemuetlich kennengelernt haben und waren dort auch mit etwa 10 Leuten fast "unter uns". Beim abendlichen Stadtbummel passierte dann der Worst Case...beim Eintreten in einen "Schlecker"-Markt uebersah ich eine kleine Stufe, klinkte um und spuerte sofort im ohnehin seit Tagen laedierten rechten Fuss ein starkes Reissen. Sofort schwoll der Knoechel auf etwa doppelte Groesse an und schmerzte tierisch...Ob das wohl das Ende unseres Jakobsweges bedeutet? Wir haben ohnehin seit Beginn unserer Reise schon das Gefuehl, dass sich eine hoehere Macht gegen uns verschworen hat und verhindern will, dass wir in Santiago ankommen. Trotz Kanalboeschungs-Auf und Ab und ausgedehnten Wanderungen habe ich zuhause seit 5 Jahren keine Verletzung am Fuss erleben muessen und hier innerhalb einer Woche gleich zwei?? Traurig endete damit dieser Tag, ich tat mit Kuehl-Akkus, Ibuprofen und Voltaren mein Bestes, die Schmerzen zu lindern...obs hilft?

Heute war ich zu frustriert, um mir ueber einen Spruch des Tages Gedanken zu machen...

Sonntag, 18. April 2010

18.04.2010 - Ventosa - Santo Domingo de la Calzada ( 32 km )

Um 6.00 Uhr frueh wurden wir heute mit klassischer Musik von Haendel und Bach geweckt. Wir nahmen uns eine halbe Stunde Zeit zum Aufstehen, hatten wir doch gestern schon alle Klamotten fuer die heutige Mammut-Etappe nach Santo Domingo zurechtgelegt. Meine Laune nach dem Aufstehen, mit dem ich zu Hause gar keine Probleme habe, schwankt hier zwischen missmutig und latent aggressiv ;-) Irgendwie habe ich den Eindruck, dass die Herbergs"eltern" nachts die Uhr um einige Stunden vordrehen, um die Pilger schneller loszuwerden. Nach dem kurzen Verarzten unserer Blessuren informierten wir uns, was die Anderen fuer heute so planten. Ralf und Marlies hats, wie gestern schon angedeutet, uebel erwischt und sie werden nur 8 km wandern und sich das Gepaeck vorschicken lassen. Annette moechte auch nur 16 km nach Azofra gehen und so scheinen wir die Einzigen, die sich angesichts dreier anspruchsvoller Berge auf die 32 km nach Santo Domingo aufmachten. Wir verabschiedeten uns mit ein paar zerdrueckten Traenchen von Ralf und Marlies, die wir wohl nicht mehr wiedersehen werden, nicht ohne vorher noch email-Adressen und Telefonnummern zu tauschen. Anschliessend brachen wir bei nebliger und kalter Morgenstimmung auf. Die Tatsache, dass wir heute mal "unter uns" waren, gab uns die Gelegenheit, mal ueber Dinge zu quatschen, die uns beide aktuell beschaeftigen und ich muss sagen, die Ruhe hat uns wirklich viel gebracht. Unterstuetzt von einer Landschaft, die mit der eintoenigen Hochebene der Rioja Alta nicht wirklich viel hergab und somit auch nicht ablenken konnte, haben wir uns waehrend der 10 Wanderstunden wirklich mal Zeit fuer uns selber nehmen koennen, ohne auf das Tempo oder die Befindlichkeiten der Mitpilger Acht geben zu muessen. Zwei lange Pausen in Azofra und Cirinuela sorgten fuer die noetigen Erfrischungen und nach einem ergiebigen Regenguss trafen wir gegen 17:00 Uhr in Santo Domingo ein. Sicher kennen einige von Euch die Legende mit Huhn und Hahn in der oertlichen Kathedrale...falls nein...bitte schoen: Im Mittelalter wanderte ein junger deutscher Pilger nach Santiago und traf mit seinen Eltern in Santo Domingo ein. Dort verliebte sich eine Bauerstochter in den jungen Mann, der die Liebe jedoch nicht erwiderte. Aus Frust bezichtigte die Frau ( wie sie eben so sind ;-)) den jungen Pilger des Diebstahls und er wurde zum Tode durch den Strang verurteilt. Als die Eltern auf ihrer Rueckreise wieder durch Santo Domingo kamen, fanden sie ihren Sohn, zwar am Strang haengend, aber lebend, auf den Schultern des heiligen Domingo sitzend. Sie baten beim Richter um Gnade fuer ihren Sohn, als dieser gerade ein Brathaehnchen verspeiste. Er erwiderte: "Euer Sohn ist so tot wie dieses Haehnchen", als sich das Haehnchen vom Teller erhob und aus dem Fenster flog. Seitdem befinden sich in der Kathedrale von Santo Domingo Huhn und Hahn. Diesen beiden werden wir gleich einen Besuch abstatten und bei dieser Gelegenheit eine Messe mit Pilgersegen und anschliessendem Chorkonzert besuchen.

Vorher aber noch der Spruch des Tages:
Vorsicht bei einem Weg ohne Hindernisse...moeglicherweise fuehrt er Dich nirgendwo hin... ( aus der Herberge von Santo Domingo de la Calzada )

Viele Gruesse
Horst